Am Montag, dem 1. April, hielt Heinz Ganz-Ohlig in der Bibliothek einen Vortrag mit dem Titel „Juden im Gaumusterdorf – Auf den Spuren ehemaliger jüdischer Nachbarn in Hermeskeil“. In diesem gewährte der Autor, der selbst einst Schüler des Gymnasiums war, Einblicke in sein gleichnamiges Buch und gab einen umfangreichen Überblick über die Geschichte der Juden in Hermeskeil.
Zunächst beleuchtete er die vergleichsweise späte Entstehung der jüdischen Gemeinde vor Ort, welche sich vermutlich erst um 1840 bildete, als die ersten Juden von Thalfang nach Hermeskeil zogen. Durch den Bau der Hochwaldbahn 1889 ergab sich ein wirtschaftlicher Aufschwung. Die jüdische Gemeinde wuchs auf 45 Mitglieder an, insgesamt lebten inzwischen 2795 Menschen im Ort. Die jüdische Bevölkerung machte also etwa 1,6% aus. Die meisten ansässigen Juden waren Viehhändler, wie z.B Emmanuel Mendel, Landwirte, wie z.B. Isaak Ackermann oder Einzelhandelsbesitzer, wie z.B. Erich Süsskind, der ein Schuhhaus besaß oder das Kaufhaus der Geschwister Baum. Außerdem lebte in Hermeskeil der jüdischen Tierarzt Dr. Moritz Kahn mit seiner Frau Elisa und seinen zwei Kindern Heinz und Klara.
Danach zeigte Herr Ganz-Ohlig Beispiele für die gelungene Inklusion der Juden in Hermeskeil vor 1933 auf: Isaak Ackermann engagierte sich 1929 in der Gemeindepolitik, Julius Ackermann spielte 1932 Fußball beim Sportverein Hermeskeil und Moritz Loeb war um 1900 ein aktives Mitglied im hiesigen Gesangsverein. Durch die sog. Machtergreifung Hitlers 1933 und der antisemitischen Politik die darauf folgte, änderte sich für die Juden in Hermeskeil allerdings einiges.
Es gab bereits 1926 eine Ortsgruppe der NSDAP, außerdem kam es schon 1929 zur Schändung des jüdischen Friedhofs. Herr Ganz-Ohlig erzählte auch von Heinz Kahn, der 1933 elfjährig die Höhere Schule in Hermeskeil, wie das Gymnasium zur damaligen Zeit hieß, besuchte. Dieser schilderte später die Veränderungen, die er seit der Machtübernahme Hitlers erlebte: Kurz nach der Machtübernahme distanzierten sich alle nicht-jüdischen Mitbürger von ihm, auch seine Freunde. Nicht jüdische Kinder versuchten ihn oft zu verprügeln, genauso erging es seiner kleinen Schwester Klara. Zudem wurde er in der Schule ignoriert oder gehänselt, von Schülern genauso wie von Lehrern, und seine Klassenarbeiten wurden nicht mehr korrigiert. Zuletzt musste er 1935 aufgrund der Nürnberger Gesetze die Schule verlassen.
Sein Vater Dr. Moritz Kahn musste 1935 seine amtlichen Tätigkeiten niederlegen und durfte ab 1938 nicht mehr praktizieren. Die Nazis nutzten inzwischen jede Gelegenheit, um gegen die Juden zu hetzen, wie Herr Ganz-Ohlig berichtete. Zudem kam es am 09.08.1936 zu Randalen, von denen zum Beispiel Dr. Moritz Kahn aber auch einige Kaufhäuser mit jüdischen Inhabern, wie z.B. das Kaufhaus Bonem, betroffen waren. 1938 wurde die antijüdische Politik verschärft was z.B. zur Folge hatte, dass alle Betriebe mit jüdischen Besitzern im „Verzeichnis jüdischer Gewerbebetriebe“ gelistet werden mussten.
Des Weiteren beschrieb Herr Ganz-Ohlig in seinem Vortrag die Pogromnacht und deren Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung von Hermeskeil. Es kam zur Schändung des jüdischen Bethauses sowie des jüdischen Friedhofes und zu Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. In mehreren jüdischen Betrieben wurde vandaliert, wie z. B. im Schuhhaus Liser. Ernst Samuel und Dr. Moritz Kahn wurden vom Bürgermeister in „Schutzhaft“ genommen.
In der darauffolgenden Zeit kam es zum Übergriff auf das Kaufhaus der Geschwister Baum und am 15.12.1938 zum Kauf des Kaufhaus Bonem durch Wilhelm Wickbold.
Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Hermeskeil konnten Deutschland noch rechtzeitig verlassen, wie z.B. Edmund Weiller, der nach Shanghai floh. Andere gingen nach Amerika oder Israel. Die übrigen jüdischen Familien zogen weg, wie z.B. die Familie Kahn, die als letzte Familie Hermeskeil verließ und nach Trier zog. Am 17.5.1939 war Hermeskeil „judenfrei“.
Herr Ganz-Ohlig erzählte auch, dass die Familien Süsskind und Kahn, die in Deutschland blieben, am 01.03.1941 nach Auschwitz deportiert wurden. Insgesamt wurden 21 der insgesamt 45 Hermeskeiler Juden ermordet. Die einzigen Überlebenden der deportierten Hermeskeiler Juden waren Heinz Kahn und Erich Süsskind.
Die Gemeinde ließ zur Erinnerung an den jüdischen Friedhof einen Gedenkstein anfertigen und aufstellen. Er trägt die Inschrift: „Zum Gedenken der toten Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde 1933-1945“. Außerdem wurde eine Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge angebracht, die am 18.11.1979 eingeweiht wurde. 2006 kam es zur Verlegung der Stolpersteine für die Familienmitglieder der Familie Kahn vor ihrem ehemaligen Haus in der Trierer Straße 55.
Wir danken an dieser Stelle Herrn Ganz-Ohlig für diesen informativen Einblick in die Geschichte der Juden in Hermeskeil. Er hat uns mit seinem Vortrag ein Thema nahegebracht, dass nie vergessen werden darf.
Das Buch „Juden im Gaumusterdorf – Auf den Spuren ehemaliger jüdischer Nachbarn in Hermeskeil“ von Heinz Ganz-Ohlig hat 288 Seiten und kostet 29.90Euro
Artikel von Tess Elin Feller (10b)